Wer bist du und was machst du?
Ich bin seit 40 Jahren Hebamme und habe seitdem auch immer als Hebamme gearbeitet. Dann habe ich noch studiert, und zwar Humanbiologie, Ethnologie und Psychologie zusammen. Das habe ich 2000 beendet und danach an verschiedenen Sachen gearbeitet, aber die hatten immer mehr oder weniger mit Geburtshilfe zu tun.
Bist du in deinem Studium das erste Mal mit wissenschaftlichem Arbeiten in Berührung gekommen? Ja genau. Damals war das in der Hebammenausbildung noch nicht so der Fall. Meine Magisterarbeit habe ich damals über Wechseljahre geschrieben. Ich habe damals auch überlegt, ob ich in der Forschung bleibe, aber das Antragstellen für jede Kleinigkeit hat mir zu lange gedauert, das hat einfach sehr meiner schnellen Arbeitsmoral widersprochen. Ich habe mich dann als Anthropologin selbständig gemacht und auch als Dozentin für verschiedene Gesundheitsberufe gearbeitet. Auf einem Hebammenkongress habe ich dann Sarah Kindner kennengelernt, die ein Projekt zur Verbesserung der Nahtversorgung vorgestellt hat und da habe ich gedacht, dass wir das in Deutschland auch brauchen. Und so hat unsere Zusammenarbeit 2011 begonnen. Ich bin jetzt Teil des Teams GynZone, ein unabhängiges Bildungsinstitut aus Aarhus. Wir entwicklen Lehrmaterial für Fachpersonal, in dem es hauptsächlich um Geburtsverletzungen geht.
Was würdest du als Hebamme Frauen bezüglich ihres Beckenbodens mitgeben?
Die Beckenbodenmuskulatur ist wichtig und wenn eine Frau schwanger wird, bereitet der Beckenboden sich vor, sodass ein Kindskopf durch passt. Es gibt Studien, die besagen, dass Frauen, die ihren Beckenboden trainieren weniger Geburtsverletzungen haben. Ich empfehle jeder Frau schon vor der Schwangerschaft mit dem richtigen Training anzufangen. Die Geburtsvorbereitung ist sehr komplex, da kommt ganz viel vor, von Stillen über das Packen der Krankenhaustasche. Ich finde die Schwangerengymnastik sollte ein Revival erleben. Gezielte Anleitung von Beckenbodenübungen bei Wassergymnastik oder anderen Sportarten ist super. Pilates ist zum Beispiel auch eine tolle Sportart, wo der Beckenboden gezielt angesprochen wird. Ich finde es sehr wichtig, dass das Fachpersonal den Frauen verschiedene Bilder anbietet, nicht jede Frau kann etwas mit dem „Gras zupfen“ anfangen.
Findest du, dass die Aufklärung über Beckenboden schon früher stattfinden sollte?
Ja, auf jeden Fall. Es ist wichtig, dass normaler über diese schambehafteten Themen gesprochen wird. Erstmal haben wir nicht so gute Wörter für die weiblichen Geschlechtsorgane im Deutschen und hinzukommt, dass sehr wenig über Ausscheidungen ect. gesprochen wird. Wir sollten das schon in die Schulen tragen und dafür sorgen, dass normaler über Ausscheidungen und Probleme damit gesprochen wird. Der nächste Schritt sind dann die jungen Sportler*innen. Es gibt ja so viele junge Sportler*innen, die an Inkontinenz leiden. Es gibt ja auch Hebammen, die in Schulen gehen und die Kinder aufklären, auch Physiotherapeut*innen im Sportunterricht wäre eine gute Idee.
Was würdest du sagen, wie Frauen am besten vorgehen, wenn ein Problem aufgetreten ist?
Sich auf jeden Fall eine Überweisung zu einer Urogänykologin holen. Wenn man schon weiß, dass es ein Beckenbodenproblem ist, kann man natürlich auch zur Physiotherapeut*in gehen und die kennen auch die richtigen Gynäkolog*innen. Auch die Hebamme hat mit großer Wahrscheinlichkeit Empfehlungen. Generell kann es gerade mit Terminen bei Urogynäkolog*innen einige Monate dauern, aber meistens ist der Leidensdruck ja auch schon etwas länger vorhanden und dann muss man eben ein paar Monate warten.
Wo ich die Frauen tatsächlich aus der Verantwortung nehmen muss, ist wenn Fachpersonal ihnen nach der Geburt sagt, es sei normal Urin zu verlieren. Es kommt leider häufig vor, dass Frauen mit ihren Beschwerden nach der Geburt nicht ernst genommen werden, das sorgt dann dafür, dass Frauen sich keine Hilfe mehr suchen und da müssen wir als Fachpersonal noch umsichtiger werden.
Das Wording war dir ja auch generell wichtig. Ja zum Beispiel Aussagen wie „das wird wieder wie neu“ sind Quatsch. Bei der Frau ist dann im Kopf, dass es alles wie vorher funktioniert. Es wird nach Geburt auf jeden Fall anders sein. Was ich persönlich toll finde, ist der Beckenboden-Fragebogen. Den kann man zuhause ausfällen und zu der jeweiligen Fachperson mitnehmen. Das kann die Scham nehmen, weil die Patient*in nicht alles erzählen muss, sondern es gibt dann einfach diesen ausgefüllten Fragebogen. Mit Hebammen kann man über sehr viel sprechen. Hebammen sind tolle Brückenbauerinnen zu anderen Disziplinen oder Fachpersonen, wenn es über die Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett hinausgeht.
Gibt es noch irgendwas, was du noch teilen möchtest?
Ich kann Frauen nur mitgeben, kümmert euch um euren Beckenboden. Also nicht nur um den Beckenboden, sondern auch um alles drumherum. Das ist ein Organ, was viel Freude bringen kann, wenn es gut funktioniert und wenn es nicht gut funktioniert, dann muss man gucken, wo man Hilfe finden kann. Man ist selber in der Verantwortung für sich. Und von denen, die die Frauen betreuen, würde ich mir wünschen, dass sie die Frauen erst nehmen und nach den Ursachen suchen. Da muss ich auch sagen, dass die Gesellschaft so mit Männern nicht umgehen würde. Wenn Männer ein Problem mit ihrem Beckenboden und Wohlbefinden hätten, dann müssten die nicht hinnehmen, dass Fachpersonen sie mit ihren Beschwerden nicht ernst nehmen. Es ist wichtig, Frauengesundheit richtig ernst zu nehmen.
Wie erreicht man dich?
Über GynZONE oder sonst behandle ich auch einmal die Woche am Neuen Wall.
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