Beckenboden To Go – Folge 88: Beckenboden goes Business mit Annika Mewes

Heute begrüßt das Bewegungszentrum Norderstedt im Podcast „Beckenboden to go“ Annika Mewes. Annika ist heute zu Gast in unserer „Beckenboden goes Business“ - Reihe. Sie ist Physiotherapeutin und hat zwei Praxen in Frankfurt am Main. Wir sprechen heute über ihren Gründungsweg. 

 

Magst du uns von dieser Entwicklung ein bisschen erzählen?

Die eine Praxis, die mir jetzt gehört, habe ich von meiner Mutter übernommen. Meine Mutter war den Großteil ihrer Karriere angestellt und ist erst spät Leitung geworden. Der Inhaber dieser Praxis ist plötzlich gestorben und weil es niemanden gab, der sie übernommen hätte, hat meine Mutter die Praxi mit Anfang 60 übernommen. Da habe ich die Selbständigkeit schon immer ganz gut mitbekommen und wir haben darüber gesprochen, dass es die Möglichkeit für mich gäbe diese Praxis irgendwann zu übernehmen. Ich war damals aber noch gar nicht bereit und wollte lieber reisen. Und hinzu kam auch noch, dass ich wenn ich gearbeitet habe, gemerkt habe, dass ich mit meiner therapeutischen Arbeit relativ schnell an meine Kapazitätsgrenzen komme. Ich habe gemerkt, dass ich 30 Stunden die Woche gut hinkomme, aber darüber hinaus war ich in dem Job nicht glücklich, weil ich gemerkt habe, dass ich den Patient*innen nicht die Qualität bieten kann und dann selbst auch die Lust verliere in dieser Taktung zu arbeiten. Und dann habe ich schon auch überlegt, dass ich etwas tun muss, wenn ich in meinem Leben mehr Geld verdienen möchte und als Physiotherapeutin glücklich sein will. Es war auch nie die Frage, dass ich einen anderen Beruf mache, nur eben nicht in Vollzeit als festangestellte Physiotherapeutin. Und dann habe ich meinen Mann kennengelernt und mich in Frankfurt auch mehr niedergelassen. Durch die eigene Schwangerschaft habe ich mich dann auf Beckenboden spezialisiert und habe dadurch tatsächlich ganz viel Freude an meinem Job zurückbekommen. Außerdem habe ich die katastrophale Versorgungslage in Frankfurt gesehen und wollte dagegen aktiv werden und Frauen unterstützen. Gleichzeitig kam dann auch die Zeit, in der meine Mutter ihre Praxis abgeben wollte und so habe ich dann in dem Prozess auch Physiomondo, die Praxis meiner Mutter übernommen. 

 

Im Januar 2022 habe ich also die Praxis meiner Mutter übernommen und im Oktober 2022 MYVLOW eröffnet. 

 

Wie hast du angefangen deine Selbständigkeit zu planen? 

Das war gerade nach der Geburt meines Sohnes. Bei mir war das tatsächlich so, dass mir durch das Stillen und die Schlafbegleitung zwischendurch fast ein bisschen langweilig war und so habe ich dann in der freien Zeit, die ich hatte, angefangen zu recherchieren. Ich habe mir überall Inspirationen geholt und mir überlegt, was für mich passen könnte. Ich hatte dann auf meinem Handy einen Ordner, wo ich alles gespeichert habe, was ich gut fand. 

 

Hattest du den Gedanken die Praxis privat zu machen?

Ich habe tatsächlich kurz überlegt, aber als ich dann angefangen habe mich mit den Zahlen zu beschäftigen, erschien es mir bei einer Praxis in meiner Größenordnung einfach sinnvoll mit den gesetzlichen Krankenkassen zu arbeiten. Wenn man solo-selbständig ist, ist das vielleicht nochmal was anderes, aber wenn man die Räumlichkeiten hat, die man für die Zulassung braucht, ist es auf jeden Fall sinnvoll die Praxis für alle zu öffnen. 

 

Es ist ja eine interdisziplinäre Praxis geworden, wie bist du darauf gekommen?

Die Idee kam tatsächlich durch meine eigene Bedürfnislage in der Schwangerschaft, weil ich echt viel rumfahren musste, um verschiedene Fachpersonen in Frankfurt zu erreichen. Daher habe ich mich entschlossen, möglichst viel anzubieten. Außerdem ist für mich das interdisziplinäre Umfeld einfach ein Umfeld, in dem ich gerne arbeite. Ich bin also die Hauptmieterin, habe angestellt Physiotherapeut*innen und dann gibt es noch eine Osteopathin, eine Hebamme und Kursleiter*innen, die sich einmieten. Das war rechtlich ziemlich kompliziert, weil es einen Rahmen gebraucht hat, in dem alle sicher arbeiten können. 

 

Hast du dir dafür Unterstützung geholt?

Ich mir rechtliche Unterstützung geholt. Ich hatte großes Glück, weil ich eine tolle Beraterin bei der Bank hatte und die wiederum hat mir eine tolle Anwältin empfohlen. Das Treffen in dieser Kanzelei war tatsächlich sehr aufregend. Ich habe mich immer auf diese Termine vorbereitet, in dem ich mich belesen habe und mir auch gesagt habe, dass ich gut genug bin und nichts vormachen muss. 

 

Und dann hattest du wahrscheinlich Bankgespräche zur Finanzierung?

Ich habe da noch einen Schritt vorgeschaltet. Ich habe über eine Förderung einen Unternehmensberater hinzugezogen, der mir mit dem Finanzierungsplan geholfen hat. Als ich den Businessplan dann hatte, bin ich zur Bank gegangen. 

 

Was für eine Summe hast du am Ende von der Bank bekommen?

280.000 Euro habe ich letztendlich bekommen. Ich habe damit die Praxis meiner Mutter gekauft und meine andere gegründet. Das sind natürlich alles Schätzungen und da hatte ich schon ein bisschen Schiss, dass die Berechnungen nicht hinhauen. Und man muss schon auch wissen, dass man die ersten Jahre auch unter Druck steht. Wenn viele Mitarbeiter*innen krank sind zum Beispiel, habe ich schon zwischendurch mal schlaflose Nächte. 

 

Du hattest die Zusage von der Bank, hattest du da schon die Immobilie entdeckt?

Ich habe die relativ parallel gefunden. Ich habe mit einem Makler gesucht und habe dann das Objekt gefunden, was ich unbedingt haben wollte. Ich hatte das große Glück, dass die Immobilie gerade im Umbau war und ich dann schon mitbestimmen konnte, welcher Boden oder welche Wandfarbe ich haben wollte. Wir haben jetzt knapp 400qm. 

 

Wie viel vor Oktober 2022 war das?

Ziemlich genau ein Jahr vorher. Das hat sich dann schon etwas gezogen. Beim Gewerbemietvertrag verhandelt man alles und das hat echt lange gedauert. Als ich final die Zusage bekommen habe, war es Anfang des Jahres. Hätte das nicht geklappt, hätte ich von vorne anfangen müssen. Das Team kam dann auch im Laufe der ersten Hälfte von 2022 zusammen. 

 

Wie hast du die gefunden oder gesucht?

Da ich hier in Frankfurt ja auch aufgewachsen bin und gearbeitet habe, war ich schon immer sehr gut vernetzt. Und dann habe ich eine Hebamme angesprochen und die hat dann direkt eine Osteopathin mitgebracht und die wiederum hatte eine Freundin, die bei uns an der Rezeption angefangen hat. Da hatte ich echt einfach Glück. 

 

Wie hast du dich auf deine Führungsrolle vorbereitet?

Ich hatte vorher schon einige Führungsaufgaben bei meiner Mutter, das war tatsächlich ziemlich hart und mit vielen Tränen und Selbstzweifeln verbunden. Mein Umgang war immer viele Bücher und auch Erfahrungsberichte darüber zu lesen und mich auch mit meinem Mann auszutauschen, der Unternehmensberater ist. Bei MYVLOW hat es sehr geholfen, dass wir die Praxis zusammen eröffnet haben und ich als diejenige, die das aufgebaut hat, bin dann ganz natürlich in diese Leitungsrolle reingekommen. Und gleichzeitig habe ich ja auch unterschiedliche Rollen, weil ich für die Fachpersonen, die sich einmieten natürlich die Vermieterin und nicht die Chefin bin. 

 

Wie schaffst du es die Rollen beiseitezulegen und nur Annika zu sein?

Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich würde ich sagen, dass ich viel als Annika schon vereine. Ich lebe als Chefin keine alte Autorität und muss mich bei der Arbeit nicht verstecken. Aber es fällt mir nicht leicht Verantwortung abzugeben und zum Beispiel die Wochenendplanung abzugeben, da arbeite ich auch an mir. Ich glaube es kann auch ganz schön toxisch sein, wenn man sich immer unter Druck setzt, dass man Arbeit und Privateben komplett trennen muss, weil wenn du etwas machst, was dich glücklich macht und komplett erfüllt, ist es ok auch mal zuhause in deinem Wohnzimmer einen Podcast zu machen, weil es dir Spaß macht. Es würde mich glaube ich zusätzlich stressen, wenn ich den Anspruch hätte, dass sobald ich aus meiner Praxis raus bin, die Arbeit sofort ganz weg sein muss. 

 

Aber ich muss schon auch sagen, dass es eine extrem stressige Zeit war. Am Anfang war ich sehr infektanfällig und ziemlich gestresst, weil in der neuen Praxis meine 30 Stunden Behandlungszeit weggefallen sind. Ich hatte da echt Angst, dass ich mal länger ausfalle und ich bin immer noch in einer Phase, wo es mir schwer fällt, zuhause zu bleiben, wenn ich krank bin. Ich bin aber besser darin geworden mir gezielt Freiräume zu schaffen. Das war mir vorher auch nicht so klar, aber die Brun- Out-Rate bei selbständigen Physiotherapeut*innen ist extrem hoch. Ich glaube man muss da echt auf sich achten und auch lernen es nicht allen recht machen zu können. 

 

Hast du da auch Unterstützung?

Ja, ich habe ein Coaching bei Frauke Kuhn angefangen. Es war wirklich ein Schlüssel letztes Jahr, weil ich mich sehr einsam in meiner Rolle gefühlt habe. Ich wollte auch mein Umfeld nicht mehr nerven und brauchte jemand, der mich beraten kann. 

 

Erzähl uns gerne noch von deinem neuen Projekt.

Das ist ein ganz spannendes Projekt, welches ich mit Daniela Künze auf die Beine stelle, und zwar gibt es ab Januar den Podcast Pelvic Potential zum Thema Beckengesundheit, Business und Mindset. In manche Folgen wird es auch um das Muttersein gehen. Es soll vor allem ein Podcast für Fachpersonen sein. 

 

Hast du noch ein paar Worte zum Abschluss?

Ich glaube es ist schon wichtig zu sagen, dass Gründen und selbständig sein eine sehr emotionale Sache ist. Das finde ich auch so schön, weil es Teil des Erfolgs ist, weil man eben sein Herzblut reinsteckt und selber so sehr daran wächst.

 


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