Beckenboden To Go – Folge 79: Pessartherapie

Maike, was ist überhaupt ein Pessar?

Ein Pessar ist ein Silikongebilde, welches sich Frauen vaginal einführen können. Das Pessar übernimmt verschiedene Funktionen: die ursprüngliche Funktion war Organsenkungen zu verhindern, aber mittlerweile werden sie auch bei Inkontinenzbeschwerden, zur Verhütung oder auch während einer Schwangerschaft, wenn eine Frühgeburt droht, angewendet. 

 

Du hast ja ein bisschen in die Vergangenheit geschaut: Seit wann gibt es Pessare ungefähr und wie sahen sie früher aus?

Tatsächlich wurden in der Nähe von Stuttgart in Frauenbecken tonförmige Ringe entdeckt und diese Frauen wurden vor ungefähr 1000 Jahren v.Chr. geboren. Man geht tatsächlich davon aus, dass Frauen sich das damals eingeführt haben, um das Senken von Organen zu unterbinden. Das früheste Anmerkungen über Pessaren findet man auf einem Papyrus, welches ca. 4000 Jahre alt ist und selbst von Cleopatra weiß man, dass sie Senkungsbeschwerden hatte. Man hat in der Vergangenheit einiges versucht z.B. Granatäpfel einzuführen. Ende des 16. Jahrhunderts hat dann ein Franzose den ersten Stützpessar aus Messing und gewachstem Kork erfunden. Die Pessare sind in Deutschland unter Mutterringe oder Mutterkränze bekannt und waren in der Vergangenheit aus verschiedenen Materialien; aus Holze, aus Gold und aus Haaren, das jeweilige Material wurde dann mit Wachs überzogen und vaginal eingeführt. 

 

Die Geschichte der Pessare ist also ganz ganz alt und trotzdem sehr jung was unsere heutigen Pessare betrifft. Wie sehen denn heutige Pessare aus?

Die bekannteste Form ist der Würfel, den gibt es in unterschiedlichen Größen, weil natürlich auch jede Frau eine unterschiedlich große und lange Vagina hat. Dann gibt es einen Ring, eine Siebschale, das Keulenpessar, den Donut, ovale Pessare und seit einigen Jahren gibt es ein Pessar, welches aussieht wie ein länglicher Käfig. Dieses Pessar wurde vor allem für 

 

Frauen direkt nach der Entbindung entwickelt, damit sie ihre Vagina direkt nach der Geburt stützen können. Die Käfigform ermöglicht, dass der Wochenfluss trotzdem abfließen kann. 

 

Wann hilft mir ein Pessar?

Ganz klassisch ist die Organsenkung; also, dass sich die Gebärmutter, die Blase oder der Darm in die Vagina senkt. Frauen mit diesen Beschwerden haben klassischerweise ein Fremdkörpergefühl, Druck nach unten, Rückenschmerzen, vielleicht können sie die Organe schon im Vaginaleingang sehen oder spüren. Dann kann man Pessare auch bei einer Belastungsinkontinenz anwenden. Es gibt zudem noch andere Pessare, die zur Verhütung oder bei einer drohenden Frühgeburt angewendet werden. 

 

Woher weiß ich, welcher das Richtige für mich ist?

Das ist gar nicht so einfach, weil ein Pessar individuell angepasst werden sollte. Meistens ist es so, dass bestimmte Pessare für bestimmte Beschwerden angepasst werden. Der Würfel zum Beispiel ist vor allem bei einer Senkung oder auch bei einer Belastungsinkontinenz gut. Es ist tatsächlich ein Trial-and-Error Prozess. Die meisten Frauen beginnen mit einem Würfelpessar, weil es am einfachsten in der Anwendung ist und wenn das nichts hilft, dann versucht man ein anderes Pessar. Es kann auch mal sein, dass ein Pessar eine Zeit lang passt und dann gibt es eine hormonelle Veränderung und dann passt es nicht mehr. Bei Frauen mit Menstruation kann es auch vorkommen, dass das Pessar während bestimmten Zyklusphasen gut passt und während anderen nicht. Aber ich sehe in der Praxis wie sehr ein Pessar den Alltag erleichtern kann und da lohnt es sich tatsächlich auszuprobieren. 

 

Gibt es Kontraindikationen, wann sollte ich einen Pessar nicht tragen?

Ja, die gibt es. Heutzutage wird es so angedacht, dass die Frau das Pessar morgens selbständig einführt und abends entfernt. Bei älteren Damen kann es schon auch vorkommen, dass die Gynäkolog*in das Pessar einmal im Monat wechselt. Wenn die Selbstfürsorge also nicht gegeben ist und jemand es nicht schafft, einmal im Monat zur Gynäkolog*in zu gehen oder es täglich einzusetzen, dann wäre ein Pessar nicht das Richtige. Während einer Infektion oder auch während der Blutung sollte man es ebenfalls nicht verwenden. Wenn der Beckenraum während einer Krebsbehandlung bestrahlt wurde auch nicht und wenn die Vaginalschleimhaut stark atrophiert, ist ebenfalls nicht. Es kann auch vorkommen, dass der Vaginaleingang oder die Vagina zu klein ist. Bei der Pessartherapie ist die Pflege extrem wichtig. Das heißt, wenn ich stille oder in der Menopause bin, sollte ich meine Vaginalschleimhaut gut mit Östrogengel vorbereiten. Während der Nutzung generell gilt: 7mal die Woche eine Fettcreme auf den äußeren Intimbereich auftragen, 2mal die ein Östrogengel und 5mal die Woche eine wasserhaltige Pflegecreme auftragen. 

 

Muss ich meinen Pessar jeden Tag tragen?

Ich vergleiche das Pessar immer mit einem Sport-BH. Ich würde es nutzen, wenn ich weiß, dass ich eine starke Belastung habe. Viele Frauen tragen das Pessar, wenn sie Sport machen oder zum Beispiel mit ihren Kindern in den Freizeitpark gehen. Es gibt Frauen, die das Pessar jeden Tag tragen, weil sie dann ihre Senkungen nicht so stark spüren. Also das ist den Frauen tatsächlich selbst überlassen. 

 

Wie bekomme ich das Pessar selber eingeführt und wie bekomme ich es gut wieder raus?

Beim Einführen hilft auf jeden Fall, dass man eine Creme verwendet und dann wie bei einem OB sich mit einem Fuß auf der Toilette, im Vierfüßlerstand oder in Rückenlage mit dem Becken etwas erhöht, positioniert. Das Pessar muss man dabei etwas zusammendrücken, weil der Vaginaleingang ein bisschen kleiner als das Pessar selber ist. Dann sollte man noch einmal kontrollieren, spüre ich das Pessar noch, weil den sollte man während der Anwendung nicht spüren. Und abends beim Herausnehmen, muss man mit dem Finger einmal um das Pessar herumgehen und da den Unterdruck lösen und erst dann kann man es rausziehen. Der Würfel hat zum Beispiel auch einen Faden, der einem helfen kann oder man bindet selber ein Stück Zahnseide dran, das geht auch. Es kann auch mal passieren, dass das Pessar sehr weit oben ist und man nicht mehr drankommt, dann kann man einfach zur Gynäkolog*in gehen und das Pessar entfernen lassen. 

 

Wie komme ich denn an ein Pessar ran?

Pessare sind Hilfsmittel, das heißt, die können von der Gynäkolog*in verordnet werden. Es gibt Gynäkolog*innen, die eine Pessaranpassung anbieten. Diese Anpassung wird leider nicht von der Kasse bezahlt, daher ist es manchmal sehr schwierig die richtige Ärzt*in zu finden. In Beckenbodenzentren findet man da gute Unterstützung. Meine persönliche Erfahrung war, dass ich bei einem Urogynäkologen war und mir dort das Pessar eingesetzt wurde, dann bin ich eine halbe Stunde durch die Stadt gelaufen, war dann auf der Toilette und dann wurde geschaut, ob Resthahn zurückgeblieben ist, das wäre so der optimale Fall. Das passiert leider nicht überall, weil die Zeit nicht vergütet wird. Ich habe aber viele Koleg*innen die eine solche Beratung anbieten. Da wird mit der Frau das Pessar besprochen und die Frau selber führt sich das ein und wird von uns unterstützt. Pessare können natürlich auch selber gekauft werden, man sollte dann vielleicht die gynäkologische Praxis trotzdem einmal mit einspannen, um die Pflegekomponente zu besprechen. Und ganz wichtig auch; wenn ich das Pessar so ungefähr ein halbes Jahr genutzt habe, sollte ich nochmal zur Gynäkolog*in gehen und meine Vaginalschleimhaut anschauen lassen. Es gibt auch die Möglichkeit in das Pessarthema mit einem einmalverwendbaren Schaumstoffprodukt einzusteigen. Die kann man sich auch bei der Gynäkolog*in verschreiben lassen und es einfach mal austesten. 

 

Wie ist denn die Studienlage zum Thema Pessare?

Ja, es gibt einige Studien. Ein bisschen schwierig ist, dass die Studien nicht nennen, welche Pessare sie nutzen, aber es gibt generell Evidenz, dass die Lebensqualität von Frauen mit einem Organprolaps durch die Pessarnutzung deutlich verbessert wird. Was die Studien auch zeigen, ist, dass die Pessarnutzung in Kombination mit Beckenbodentraining am meisten Erfolg hat, weil der Beckenboden durch das Pessar entlastet wird und seine eigentliche Funktionen ausüben kann. 

 

Ich kann nur sagen, dass Pessare ein Gamechanger sind. Auch wenn die Anwendung zeitaufwendig und ein bisschen kompliziert ist, sollte man sich nicht durch solche Kommentare wie „da bist du zu jung für“ oder „das ist schädlich für den Beckenboden“ verunsichern lassen und einen Pessar einfach mal austesten. 

 


Neugierig geworden?

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    S.Falia (Freitag, 28 Juni 2024 16:15)

    Ich habe einen Würfelpessar von meiner Frauenärztin verpasst bekommen.Da ich 60 Jahre werde,raten alle zu einer OP.Macht sicher auch Sinn.Aber hätte ich früher gewusst, was mir der Pesssar bringt,hätte sicher ein Totalprolaps verhindert werden können.Schade dass man die Arzte richtig nerven muss,um ein Alternativvorschlag zu bekommen. Außerdem hat sie gemeint ,wenn ich das Ding nicht wieder selbst entfernen kann ,muss ich zum Notdienst.Die Aufklärung war notdürftig . Habe es dann doch geschafft. Immerhin habe ich 3 Kinder geboren .Weiß immer noch nicht,ob ich mich operieren lassen soll........außer der Senkung ,die Grad 3 beträgt,bin ich gesund.