Beckenboden To Go – Folge 68: Interstitielle Zystitis

Interstitielle Zystitis, was ist das überhaupt?

Das ist eine dauerhafte oder wiederkehrende Form von chronischem Beckenschmerz, der Druck oder Unwohlsein abhängig von der Blasenfüllung im Bauch verursacht. Es kann zusätzlich von einer Drangsymptomatik begleitet werden, also dass man auch eher nochmal häufiger auf Toilette geht. Hier ist aber wichtig, dass eine bakterielle Infektion ausgeschlossen wird, das wäre dann eine bakterielle Zystitis. Es können auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auftauchen und ein ganz wichtiger Unterschied zu einer überaktiven Blase oder einer Dranginkontinenz ist, dass die Patient*innen eher auf Klo gehen, weil sie Angst vor diesem Schmerz haben, der dann kommt, wenn die Blase wieder zu voll ist.  Die Abhängigkeit von der Blasenfüllung ist da immer ein wichtiger Faktor, der einen Hinweis geben kann, wenn man den Patient*innen in der Anamnese zuhört, auch schon bevor man selbst seine erste Frage stellt. 

 

Woher kommt das denn?

Das ist eine gute Frage, denn das ist noch nicht so geklärt. Es spielen einfach sehr viele Faktoren mit rein. In Anamnese Geschichten hat man dann häufig, dass es plötzlich anfängt, vielleicht nach einer vorangegangenen Bauch-OP, einem Leistenbruch, einer Hernie oder nach einer Geburt. Auf einmal ist es manchmal einfach da. Die Betroffenen haben dann Schmerzen, immer wenn die Blase voll ist, tut es weh und wenn sie auf Klo gehen wird es besser. 

 

Manchmal haben sie dann auch Schwierigkeiten die Blase zu entleeren, weil durch die Schmerzen viel Spannung auf den Beckenboden komm. Da ist dann auch wieder die Frage: Kommt das jetzt durch einen verspannten Beckenboden, oder ist der verspannte Beckenboden die Konsequenz davon, dass da etwas in diesem System Bauch, Unterbauch nicht passt. Deswegen ist das auch immer so ein bisschen Detektivarbeit herauszufinden, was es ist. Spielt der Darm eine Rolle, gibt es bei der Verdauung irgendetwas? Wie ist das Mikrobiom vom Darm? Was macht das Östrogen? Es ist auch nicht klar, ob das eine Rolle spielt. Was macht diese Blasenschleimhaut, ist sie an sich angegriffen? Ist mit der Schutzschicht, die zwischen Schleimhaut und Urin da ist alles in Ordnung, muss man die vielleicht ein bisschen aufbauen? Deswegen laufen die Frauen und Männer auch oft von Arzt zu Arzt und irgendwann ist es dann eine Ausschlussdiagnose. 

 

Du sagtest gerade, eine Möglichkeit ist zu schauen, wie die innerste Schicht der Blase, die Schleimhaut, aussieht. Wahrscheinlich dann ja über eine Blasenspiegelung.

Ja genau, du hast auch wirklich viele verschiedene Untersuchungen, die vorangehen, um dann nach dem Ausschlussprinzip zu sagen, dass es ein Blasenschmerzsyndrom (BPS) oder eine interstitielle Zystitis (IC) ist. Und es gibt noch einen kleinen, feinen Unterschied zwischen dem BPS und der IC: Bei der tatsächlichen IC findest du Läsionen, also kleine Verletzungen innen an der Blasenschleimhaut. Dann ist es wirklich eine IC und vorher ist es eben ein BPS. Diese Läsionen findest du eigentlich wirklich selten, von den Begrifflichkeiten her wird das manchmal vermengt. 

 

BPS, das sagt ja irgendwie alles und nichts. Magst du nochmal zusammenfassen, was darauf hindeuten kann?

Wichtig nochmal: die Schmerzen sind abhängig von der Blasenfüllung. Es kann eine Drangkomponente geben, es kann Schmerzen beim Geschlechtsverkehr geben, nächtliches auf Toilette gehen kann sein, schwierigere Blasenentleerung, Schmerzen im Becken- oder im Beckenbodenbereich, gerade so über dem Schambein, wo die Blase liegt. Manchmal kann es aber auch in die Beine runter strahlen, dass dieser ganze Bereich sich nicht gut anfühlt. Verstopfungsproblematiken können auch mit auftreten, weil unser Bauchraum ja echt gut gefüllt ist und das Gehirn irgendwann nicht mehr unterscheiden kann, wo es herkommt. Dann wird einfach irgendwas gemeldet, was vielleicht auch gar nicht die Ursache ist. 

 

Wenn ich das BPS oder IC diagnostiziert bekommen habe, was kann ich selber machen und was bedeutet das für mich?

Das Wichtigste, was man selbst machen kann, ist es erstmal zu verstehen. Dass ich weiß, wie es zusammenhängt und wie ich es beeinflussen kann, das ist schon mal immens wichtig. Dadurch kriege ich wieder dieses Gefühl von Kontrolle zurück, was ja der Grundbaustein ist, gerade bei chronischen Syndromen. Und dann hast du wieder diese ganzen Umweltfaktoren: Der Schlaf, der total wichtig ist und so viele Prozesse im Gehirn steuert, die Stressfaktoren, auch wie ich mit Stress umgehe. Klar, Stress kann ich nicht einfach ausschalten, aber ich kann schauen, dass ich da vielleicht einen etwas anderen Weg finde oder zumindest anders damit umzugehen lerne. Ich kann gucken, dass ich das Becken beweglich halte und mich bewege, natürlich immer alles angepasst und nicht von 0 auf 100. Beckenbodenphysiotherapie natürlich auch. Bei der Ernährung kann man auch gucken, weil man inzwischen weiß, dass zum Beispiel Alkohol, Nikotin, aber auch Zucker und Milch Symptome reizen können. Ich schlage gerne vor, dass man sich eine Produktgruppe raussucht, die man erstmal weglässt und dann guckt, wie es einem und den Symptomen damit geht. Dann isst man das eine Woche wieder und schaut, wie es damit wird. So kannst du herausfinden, was für dich einen Einfluss auf die Symptome hat und was nicht und kannst dich dann nach und nach zum Nächsten vorhangeln. 

 

Du hast gesagt, Beckenboden-Physiotherapie wäre eine Möglichkeit. Wie kann ich mir das vorstellen?

Wir schauen uns erstmal die Haltung an, von oben bis unten. Diese ganze orthopädische Komponente darf man nicht vernachlässigen, denn die spielt eine Rolle für den Beckenboden und die Beckenbeweglichkeit. Wenn es dann speziell an den Beckenboden geht, gucken wir erstmal von außen, wie es sich dort mit der Spannung verhält und ob es vielleicht schon Triggerpunkte gibt, die die Patient*innen gut selber erreichen können. Es gibt auch die Möglichkeit einer internen Untersuchung, bei der man nach der Muskulatur im Inneren schaut und auch über den Bauch kann man die Blase erreichen. Außerdem ist einer der Hüft- Rotatoren, der Obturatorius internus sehr wichtig. Er kann ebenfalls von innen und außen behandelt werden. Auch allgemeine Kräftigung ist von Bedeutung, da die Betroffenen häufig Bewegung vermeiden, wodurch die ganze Körperkonstitution schlechter wird. Das wirkt sich wiederum negativ auf den Beckenboden aus, der dann viel mehr halten muss. Insgesamt also Spannung rausnehmen, ins Gleichgewicht bringen, aber auch wieder stabilisieren. Und ganz wichtig ist in der Therapie natürlich auch viel Aufklärung und die Verbindung zu sich selbst wiederherzustellen. 

 

Vielen Dank, Daniela! 


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