Beckenboden To Go – Folge 61: Osteopathie und Beckenboden

Wobei kann Osteopathie Frauen unterstützen?

Eigentlich ab jedem Alter. Ich habe zum Teil auch Säuglinge und bei weiblichen Säuglingen schaue ich mir auch immer das Becken mit an. Die jungen Mädchen kommen eigentlich manchmal schon mit 3 oder 4 Jahren mit Beckenbodenproblemen, da gibt es ja schon recht früh einige Störungen, die mit Bettnässen z.B. verbunden sein können. Dann gibt es Kinder, die kommen weil viele Blasenentzündungen vorhanden waren. Viele Mädchen kommen mit einsetzen der Menstruation und nicht unbedingt wegen Menstruationsbeschwerden, sondern oft sind es Dysfunktionen im Gelenk oder Knochen. Oft findet sich in der Anamnese dann eine Dysmenorrhö. Die betroffenen haben starke Regelbeschwerden, PMS, Rückenschmerzen oder auch eine starke Blutung. Da gibt es dann von bis. Einige haben ihre Menstruation schon mit 8, andere erst mit 16.

 

Dann behandle ich junge Frauen wegen Blockaden im ISG/LWS Bereich, viele mit Blasenentzündungen, manche kommen mit tiefen Beckenschmerzen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Da findet sich dann manchmal eine Chlamydien Infektion, was dann zu Verklebungen im kleinen Becken führt. Manche kommen mit Instabilitätsgefühlen im Becken. Oder auch Bauchschmerzen, da kann sich dann manchmal auch eine Blinddarmentzündung herausstellen oder auch Endometriose.

 

Weiter geht’s dann mit der Spanne 25 – 35 mit Kinderwunsch. Da schauen wir erstmal an, wie das Becken aufgebaut ist, ist es symmetrisch, ist das ISG frei ist das Beckengelenk frei, gibt’s keine Schambeinblockierung und wie sind die Beinachsen. Wie ist der Druck im Bauch. Habe ich eine Frau mit vielen Blasenentzündungen, kann es auch zu viel zu viel Spannung im Beckenboden kommen. Es kann sein, dass die Atmung nicht fließen kann, weil das Zwerchfell zu angespannt ist, da findet man dann auch oft Blockaden im Brustwirbelbereich. Wir schauen uns grundsätzlich immer befundorientiert die ganze Patientin an und schauen uns dann an, was und wie wir Individuell behandeln. Manchmal sind das dann auch mehrere Behandlungen. Ich habe zum Beispiel eine Patientin, die nach einer Endometriose-OP jetzt nun einen Kinderwunsch hat. Da sind wir dabei vor allem im Bauchraum die Spannung und Verklebungen zu lösen, den Lendenbereich frei zu machen. Wir gehen auch immer hoch bis zum Kopf, bei dieser Patientin ist zum Beispiel auch die Halswirbelsäule nicht frei, was dann auch immer wieder zu Problemen führen kann.

 

Dann habe ich viele Frauen, die in Richtung Wechseljahre gehen, das ist ein großes Feld. Und natürlich die Schwangeren. Manche kommen jedes Trimester und lassen einmal überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Viele kommen im letzten Trimester wegen Druckgefühlen und Inkontinenz oder Hexenschüssen. Oft können wir da auch Linderung reinbringen, aber nicht immer. Das liegt auch an der Lage des Kindes, wenn die Bänder sehr schwach sind und das Kind schon sehr tief liegt, dann drückt das die Venen ab.

 

Für uns ist das in der Osteopathie sehr wichtig, dass wir Mutter und Kind so viel Platz geben, dass die Gebärmutter sich wirklich in den Bauchraum nach oben entfalten kann. Dass die Atmung frei bleibt, denn je besser die Sauerstoffversorgung der Mutter, desto besser die Versorgung des Kindes.

 

Was für eine Aufgabe bzw. was für einen zentralen Punkt hat das Becken?

Das Becken ist für uns Osteopathen ein ganz zentraler Punkt. Denn das Becken absorbiert die aufsteigenden Kräfte, also alles, was von unten, von den Füßen und Knien kommt und genauso alles, was von oben kommt. Das Becken ist ein Puffer für alle Scherkräfte, es stabilisiert uns, es muss gut ausgerichtet sein, die Beckenschaufeln müssen sich gut mit- und gegeneinander bewegen können, die Hüfte muss frei sein, die Lendenwirbelsäule, das Kreuz- und Steißbein. All das muss frei sein. Das ist einfach ganz wichtig für die faszialen Innenstrukturen der gynäkologisch/urologischen Organe, es ist wichtig für den Bauch, weil wir ein Bauchkapselsystem haben. In diesem Bauchkapselsystem haben wir Druckzustände und jeder der schon mal wirklichen Blähungen hatte, weiß was für ein Druck im Bauch entstehen kann und wie weh das tun kann. Wenn diese Drücke im Bauch gut ausbalanciert sind, dann ist mein Bauch flach, mein Beckenboden ist entlastet und alle Strukturen werden physiologisch gut belastet und das Zwerchfell kann frei absinken. 

 

Wer Schwanger war weiß, dass das Becken sich nach vorne kippt in der Schwangerschaft, die Lendenwirbelsäule sich verstärkt, dass heißt der Druck ist vorne am Schambein, das Zwerchfell kann sich nicht mehr frei heben und die Drücke im Bauch verstärken oder verändern sich und das kann natürlich auch wieder mehr Druck auf die Blase ausüben und in der Schwangerschaft zu einer Inkontinenz werden.

Für uns ist das Becken so wichtig, weil wir in der Osteopathie über gekreuzte Muskelfaserketten befunden. Das heißt alles, was unten passiert kann sich oben auswirken. Das heißt wir gucken uns bei Beckenbodenproblemen auch immer die Füße, das Sprunggelenk und das Wadenbein an. Am Schienbeinknochen setzt ein Muskel des Oberschenkels an, der wiederum mit den Sitzbeinhöckern und somit auch mit dem Becken verbunden ist. 

 

Es gib myofasziale Verbindungen, die sich im Becken kreuzen, habe ich das richtig verstanden?

Ja genau, es gibt die vordere, die hintere und die seitliche. Es gibt dann auch welche, die sich vorne überkreuzen. Da gibt es ganz viele. Wir schauen immer innerhalb dieser Ketten, ob sie frei sind und ob es dort Dysfunktionen gibt. Es gibt in der Osteopathie verschiedene Befunderhebungsmöglichkeiten. Die Behandlungskonzepte sind unterschiedlich. Und das hilft uns, wenn wir die Ketten behandeln bzw. befunden, da wir so relativ schnell herausfinden, wo eine Dysfunktion vorliegt.

 

Du hast mir von den Studien von Carla Stecko erzählt, wie wichtig die Gleitfähigkeit ist und dass das Östrogen da eine große Rolle spielt auch im Bezug auf die Wechseljahre, habe ich das richtig in Erinnerung?

Ja. Die Faszienforschung wird in Deutschland bzw. weltweit erst seit 20 Jahren vorangetrieben. Und es gibt in Italien eine Wissenschaftlerin, Carla Stecko, die eine Studie herausgebracht hat, wie Faszien auf Hormone reagieren. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass unsere weiblichen Faszien auf den Zyklus reagieren. Daraus lässt sich auch erkenne, dass Frauen je nach Zyklusphase auch sportlich gesehen unterschiedliche Leistungen erbringen können. Frauen, die in der Menopause sind, also ein Östrogenmangel haben, die haben auch kaum mehr Rezeptoren für Östrogen auf den Faszien. Ich bin gespannt, was die Forscher uns da noch für tolle Ergebnisse vor allem in Bezug auf Frauengesundheit liefern werden.

 

Alexandra hat mir auch eine kleine Osteopathie-Einheit gegeben und ich war erstaunt, wie viel besser meine Wahrnehmung für den Beckenboden dadurch geworden ist und das obwohl ich ja auch schon sehr gut im Thema drin bin und eine gute Wahrnehmung besitze. 

 

Ich hatte auch einmal eine Patientin mit Rektusdiastase, die nach der Osteopathie-Behandlung anstatt 3 Finger, nur noch einen zwei Finger Abstand hatte. Über diese Symmetierung der unteren Extremitäten, also Füße und Beine, Korrekturen des Beckenbodens, der Brustkorbs etc. können wir eine deutlich bessere Wahrnehmung für den Beckenboden sowie auch für Anspannung und Entspannung herstellen. Und das hilft die Patientin einfach ungemein in diese Thema reinzuspüren.

 

Dysmenorrhoe und das Drainage-System interessierten mich sehr. Kannst du das noch einmal erklären?

Wir haben, wenn wir auf die Welt kommen ein bestimmtes Drucksystem. Das heißt jedes Organ hat seinen eigenen Druck. Die Leber bspw. ist ein Vollorgan, der Magen ein Hohlorgan. Wenn alles gut ausgeglichen ist und gut arbeitet und unser Körper muskulär in Harmonie ist, dann ist das ausgeglichen. Habe ich aber eine Dysfunktion in der Statik oder immer wieder Verstopfungen. Bei Verstopfungen ist das bspw. immer das Endstück vor dem Rektum auf der linken Seite auswirken. Und wenn ich da immer einen Druck habe, dann kann die Gebärmutter sich auch nicht gut füllen und bewegen und das kann dann Dysmenorrhoe verursachen. Oder ich habe viele Blasenentzündungen, habe über die Blasenentzündungen lokal zwischen diesen Organen und Faszien eine Entzündung, die Flüssigkeit durch die Entzündung wird weniger und die faszialen Strukturen kleben aneinander, also ich habe kein slide and glide mehr der verschiedenen Gewebestrukturen. Es bewegt sich nicht gut im Becken, beim Atmen und beim Gehen. Und wenn ich eine Gebärmutter habe, die wirklich sehr fixiert ist im Bindegewebe, dann kann die sich natürlich auch nicht gut bewegen und nicht gut füllen. 

 

Wenn ich über Blasenentzündungen oder Entzündungen im kleinen Becken Verklebungen habe, kann es auch sein, dass die Blase mit ihren Bändern am Schambein klebt und einfach Drücke macht, die sich auf die Gebärmutter auswirken. 

 

Wenn ich eine Gebärmutter habe, die sehr stark in sich verdreht ist oder ein Mutterband habe, was auf einer Seite sehr stark zieht und sich die Gebärmutter während der Menstruation füllt, wird sie schwerer und dicker und das funktioniert dann vielleicht nicht, wenn es auf einer Seite mehr zieht.

 

Oder ich habe Lendenwirbel- oder Steißbeinprobleme und da zieht es und die Gebärmutter kann sich nicht frei bewegen, dann kann das natürlich Schmerzen verursachen. 

 

Oder ich habe sehr starke Drücke, weil der Darm nicht gut funktioniert, mein Magen-Darm-Trakt nicht in Ordnung ist oder ich mich nicht gut ernähre, dann kann es sein, dass ein Druck nach unten herrscht und die Abdrainage aus den Organen – also das venöse Blut, das zurück muss – einfach nicht gut funktioniert und das Becken quasi „volläuft“ und somit die Versorgung sowie der Abtransport der Schlackstoffe nicht gut funktioniert. 

 

Oft ist auch das Thema Stress sowie Ernährung ein großes Thema bei Frauen. Auch wenn das Zwerchfell hoch steht und nicht gut schwingt und unten von der Atmung nicht gut ankommt, kann das auch Probleme bei der Menstruation machen. Auch Probleme von der unteren Extremität können Dysfunktionen über die muskulären Ansätze am Becken machen.

 

Zu viel Spannung im Beckenboden kann auch eine Dysmenorrhoe ausmachen. Es gibt so viele Ursachen, daher ist es wichtig immer zu gucken, wo es individuelle bei der Person zu Problemen kommt. 

 

Es ist auch immer wichtig das einmal auszuprobieren und für sich selbst zu spüren. Es gibt auch verschiedene Techniken, einige sind extern, einige intern und da muss man für sich schauen, womit man sich wohlfühlt.

 

Ich würde auch immer gucken, wenn es menschlich oder von der Behandlung nicht passt, was es noch für alternativen im Umfeld gibt. Es lohnt sich immer zu Osteopathinnen zu gehen, die sich auf das jeweilige Thema spezialisiert haben.

 

Alexandra, wenn ich jetzt zu dir kommen möchte: Wie finde ich dich?

Ich habe einen Auftritt bei Instagram: osteopathie_kaiser und ich habe eine Website: www.osteopathiepraxiskaiser.de

 

Was magst du den Zuhörern zum Abschluss noch mitgeben?

Ich finde es immer wichtig, dass man als Frau auf seinen Körper hört und Frauengesundheit ernstnimmt. Frauengesundheit fängt auch nicht damit an, dass man eine Dysfunktion hat, sondern dass man früh auch den Kindern die Menstruation erklärt und dass starke Schmerzen nicht normal sind. Laut WHO sollte man einen Schmerz von 2 – 3 haben und nicht wie es oft ist von 7 – 8. Daher sollten sich auch junge Frauen und Mädchen bei Problemen Experten suchen. 


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