Beckenboden To Go – Folge 59: Die Überaktive Blase (Drangblase)

Was bedeutet es, eine überaktive Blase zu haben?

Eine überaktive Blase zu haben, bedeutet sehr häufigen und heftigen Harndrang zu verspüren. Das kann mit oder auch ohne Harnverlust einhergehen. Der Blasenmuskel hat zu viel Spannung und zieht sich im Prinzip unkontrolliert zusammen. 

 

Wieso entscheidet sich meine Blase überaktiv zu werden?

Das kann viele Ursachen haben. Man kann eigentlich ganz gut zwischen psychischen und körperlichen Ursachen unterscheiden. Psychische Ursachen wären zum Beispiel, dass du immer in der Dusche pinkelst und deine Blase dann durch Wasserplätschern getriggert wird. Oder du gehst zum Beispiel in Stresssituationen oder wenn du das Haus verlässt vorsichtshalber auf Toilette, du gehst sozusagen situationsabhängig und nicht drangabhängig. Das kann dann zur Gewohnheit werden und deine Blase gewöhnt sich an das häufige Entleeren, obwohl sie nicht gefüllt ist. Dann kann es auch sein, dass du eine Blasensenkung hast, deine Blase also tiefer als normalerweise sitzt. Dadurch werden die Nervenfasern unten an der Blase ständig gereizt und du verspürst Harndrang, obwohl deine Blase noch nicht voll ist. Eine weitere Möglichkeit ist, dass du generell eine geringe Blasenkapazität hast. Außerdem ist das das Zusammenspiel von Blasenmuskel und Beckenboden enorm wichtig. Wenn die Blase sich entleert muss der Beckenboden locker lassen und umgekehrt. 

 

Wie kann ich denn herausfinden, ob meine überaktive Blase durch eine Senkung entstanden ist?

Am besten du kontaktierst eine Beckenbodenphysiotheraputin, die kannst du zum Beispiel unter AG-GGUP.de finden und lässt dich dort auf eine Senkung untersuchen. 

 

Woher weiß ich, wann meine Blase voll ist?

Wann sollte ich wirklich auf die Toilette gehen? Die Blase hat die Fähigkeit die ersten Signale bei 150-200ml zu senden, das eigentliche Fassungsvermögen ist allerdings mit 500-700ml viel höher und das sollte die Blase auch halten können. Wenn du dir unsicher bist, wie viel die eigene Blase tatsächlich halten kann, kannst du auch mal ein „Pipi-Protokoll“ führen. Da schreibst du auf wie viel du trinkst, ab wann der Harndrang einsetzt und misst dann die Urinmenge. Wenn man feststellt, dass die Blasenkapazität nicht so groß ist, wie sie sein sollte, kann man daran arbeiten, um die Kapazität wieder zu normalisieren. 

 

Was kann ich machen, wenn ich feststelle, dass meine Blase sich schon bei 200ml meldet?

Generell gibt es da vier Bereiche in denen man in solchen Situationen ansetzten kann. Eine Möglichkeit ist den Mundraum zu entspannen, indem du mit der Zunge von hinten an die Schneidezähne reibst oder dir vorstellst, dass du an einem Bonbon lutscht. Auch das Zwerchfell als Atemmuskel spielt eine wichtige Rolle. Du kannst versuchen entspannt in den Bauch zu atmen, um Panik zu vermeiden. Und wie wir vorhin schon gesagt haben, kann man auch den Beckenboden anzuspannen, damit die Blase sich entspannen kann und der Drang geringer wird. Oder auch kleine Fußbewegungen wie zum Beispiel die Füße sanft abrollen, können helfen. Generell ist die Psyche total wichtig. Du kannst dir zum Beispiel vorstellen, dass du in einer Wüste bist oder, dass du ein Gespräch mit deiner Blase führst und ihr sagst: „Du schaffst das!“. Was auch helfen kann, ist das Knie überkreuzen und sich nach vorne beugen, um die Blase zu entlasten oder auch die Hand auf die Klitoris oder die Penisspitze zu legen, vielleicht nicht ganz öffentlichkeitstauglich, aber wenn man alleine ist, kann das durchaus ein wirksamer Mechanismus sein. 

 

Ich höre Berichte von Patient*innen die beispielsweise im Café sitzen und irgendwann stehen Sie auf und Zack kommt der Drang. Hat das auch etwas mit der überaktiven Blase zu tun?

Ja, auch ein Lagewechsel kann zu diesem imperativen Harndrang führen. Auch da können die Strategien sehr gut helfen. Oder man kann auch mal versuchen anders aufzustehen und schon mal vor dem Aufstehen den Beckenboden und die Bauchmuskulatur zu aktivieren. 

 

Gibt es Getränke und Nahrungsmittel, die besonders reizen können?

Ja, scharfes Essen zum Beispiel oder auch Alkohol und Koffein können bei manchen Menschen zu vermehrtem Harndrang führen. 

 

Es gibt ja auch den Fall, das Patient*innen es bis zur Toilette schaffen und dann beim Hose runter ziehen den Urin plötzlich nicht mehr halten können.

Da kann man zum Beispiel auch erstmal den Beckenboden aktivieren und sich mit geradem Rücken nach vorne beugen, um die Blase zu entlasten. Was auch helfen kann ist Progressive Muskelrelaxation oder autogenes Training zu üben und in solchen Momenten an die Übungen zu denken. Generell spielt Entspannung eine große Rolle bei der überaktiven Blase. 

 

Oftmals haben Menschen in meiner Praxis auch das Problem, dass sie Zuhause überhaupt keine Probleme haben und sobald sie das Haus verlassen, haben sie eine überaktive Blase, kannst du dazu vielleicht noch etwas erzählen?

Es könnte sein, dass du zwischendurch auf Toilette gehst und eventuell deine Blase nicht komplett leerst, weil du dich zum Beispiel nicht richtig auf die Klobrille setzen magst. Es ist wichtig, dass man entspannt entleert und den Strahl mehrere Sekunden ohne Druck laufen lässt. Und wenn man unterwegs nicht die Möglichkeit hat auf Toilette zu gehen und immer diese Angst mit sich trägt, kann es auch entlastend sein nur für den Fall der Fälle eine Inkontinenzhose zu tragen. Was ich auch immer im Auto dabei habe, ist eine Einmaltoilette, falls man zum Beispiel unerwartet im Stau stehen sollte. 

 

Hilft den Beckenbodentraining, wenn meine überaktive Blase körperliche Ursachen hat?

Ja, auf jeden Fall, weil der Beckenboden und der Blasenmuskel zusammenarbeiten. Der Beckenboden muss reagieren, damit du keine Tröpfchen verlierst und deinen Urin halten kannst und zum anderen gut loslassen, damit du entspannt Urin lassen kannst. 

 

Kommen wir zur Nykturie (nächtlicher Harndrang), ist es ok, wenn ich ein bis zweimal nachts auf die Toilette gehe?

Ja das ist normal, aber so 5-6 mal ist dann schon Nykturie. Das beeinflusst dann auch die Schlafqualität und man sollte sich Hilfe suchen. 

 

Ganz wichtig ist noch zu sagen, dass du damit nicht alleine bist! Ich finde es sehr wichtig, dass wir darüber reden und uns trauen Hilfe zu suchen. 


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