Beckenboden To Go – Folge 55: Beckenboden und Yoga

Wie kommt man über die Physiotherapie über Beckenboden auf Yoga und wie passt das zusammen?

Bei mir eigentlich aus der eigenen Geschichte. Ich habe während der Fortbildung Entspannungspädagogin 4 Wochen lang jeden Morgen Yoga gemacht und irgendwie war das cool. Dann ist es allerdings wieder in Vergessenheit geraten und 2018 nach einer OP hatte ich selber mit vielen Beschwerden zu kämpfen und der Ausweg war Yoga. 2021 habe ich dann die Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und da ging mir ein Licht auf, denn die Yogis wussten schon früher, wo die Verbindungen zum Beckenboden sind.

 

Wir bieten bei uns in der Praxis Beckenboden Yoga an, wo wir die einzelnen Schichten durchgehen. Es ist immer Meditation und in Entspannung mit dabei, wo die Frauen dann auch wirklich was für sich mitnehmen. Wenn ich noch nicht so viel Ahnung von Yoga habe und dabei dann eher an Handstand und Spagat denke, dann passt das doch mit Beckenboden Thematiken und Organsenkungen gar nicht richtig zusammen. 

 

Modifizierst du Yoga? Was für ein Yoga ist gut für mich, wenn ich schon Beckenbodenbeschwerden habe? Und wenn ich noch keine Beschwerden habe, kann ich dann in den Kursen bei bestimmten Übungen auf meinen Beckenboden achten?

Zuerst stellt sich da die Frage: Was ist Yoga überhaupt? Das ist meiner Meinung nach ein allgemeines Problem. Yoga bedeutet Einheit, also die Einheit von Körper und Geist und das ist für mich überhaupt kein Spagat oder Handstand. Man sagt ja immer Yoga ist für alle da und da muss jeder seinen eigenen Stil sehen. Bei mir wird es keinen Handstand geben, bei mir geht es darum, ein Gefühl für den Körper zu entwickeln. Von daher braucht man keine Angst haben, bei mir habe ich Teilnehmerinnen von 20 bis 70 dabei und es muss für jede passend sein. Bei mir wird man keine fordernden Teile finden.

 

Wenn du jetzt fragst, welche Asanas gut sind, ist es wie bei jeder Körperübung, dass man das Pauschal nicht sagen kann. Es gibt kein absolutes Go und kein absolutes Nein. Ich schaue mir immer individuell die Beschwerden an und wandle diese dann ggfs. ab. Es gibt zwar sicherlich einige Asanas, wo ich nicht direkt Juhu schreie, aber jeder Körper ist anders und jede*r hat einen anderen Hintergrund.

 

Du hast am Anfang gesagt Yoga bedeutet Einheit. Die Einheit von Körper, Geist und Seele. Häufig erlebe ich das in der Praxis, dass wenn Menschen schon mit Beschwerden kommen, dass der Beckenboden schon nicht mehr als Einheit gesehen wird. Kann Yoga mich da unterstützen nicht durch wilde Asanas sondern durch den Fokus auf Körper, Geist und Seele wieder mich als Einheit zu betrachten?

Genau, auch das sich selber wahrnehmen und auf sich selber wieder konzentrieren ist ein Bestandteil davon. Sich auf den eigenen Körper konzentrieren und die Übung wirklich spüren und schauen, ob die Übung einem auch selbst guttut. Nicht blind zu gehorchen, sondern wieder mehr ins Fühlen zu kommen. Und sich auch wieder bewusst machen, mit wie vielen Teilen im Körper der Beckenboden eigentlich zusammengehört.

 

Im Yoga gibt es ja auch die Chakren Lehre. Da spielt doch die Beckenbodenmuskulatur eine wichtige Rolle oder?

Ja, wir haben 7 Hauptchakren. Da haben wir vor allem das Wurzelchakra, das mit Erdung und Urvertrauen zu tun hat. Da stellen wir uns vor, dass dort die Hauptenergie sitzt, die auch mit unserem Beckenboden zu tun hat. Aber auch die Chakren hängen zusammen. Da gibt es auch das Sakralchakra, das für Lebensenergie und sexuelle Lust steht. Dann das Manipura- Chakra, das Bauchzentrum, die Lebensfreude. Das Kronenchakra unser Gefühl und die Verbindung nach oben. Das gehört alles zusammen und man kann es nicht trennen, dass macht es auch so spannend.

 

Kannst du aus deiner Erfahrung heraus sagen, dass mittlerweile viele Menschen nach den kopflastigen Chakren streben und dabei ihre Wurzeln vergessen?

Könnte man so sagen. Und ich möchte mich da auch nicht ausnehmen. Wir sind oft im Außen und im Kopf und da ist es immer wieder schön, zurück zu seinen Wurzeln zu finden.

 

Welche Yoga Übung würdest du empfehlen, wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas Verwurzelung brauche und etwas für meine Beckenbodenmuskulatur tun möchte?

Gute Frage. Wir nennen es Berghaltung, also die normale Standhaltung, hüftbreit auf dem Boden, Fußaktivierung, Beckenbodenaktivierung, einfach schauen, was passiert im Körper, wenn ich meinen Beckenboden anspanne? Und vielleicht einfach auch der kreuzbeinige Sitz, also einfach die Sitzbeinhöcker auf dem Boden zu spüren und dann bewusst in die Atmung gehen. Und was ich liebe, um einfach offen zu sein, ist der liegende Schmetterling. Wir befinden uns in Rückenlage, die Beine aufgestellt und dann auseinanderspreizen und dort etwas verweilen. Das sind so meine Lieblingsyogaübungen.

 

Gibt es eine Empfehlung, wie oft ich Yoga machen sollte?

Auch da gibt’s wieder kein richtig und kein falsch. Wenn du es einmal in der Woche für 5 Minuten schaffst, ist das schon besser als kein Mal. Ich selber brauche es regelmäßig, also jeden Tag ein bisschen, für jemand anderen passt es besser einmal in der Woche. Aber gut ist es natürlich, wenn wir uns jeden Tag etwas verwurzeln, auch wenn es nur eine Minute ist.

 

Du hattest vorhin von den Bandhas gesprochen. Kannst du uns dazu noch was erzählen?

Die Bandhas sind Energieverschlüsse, die gesetzt werden, damit die Energie im Körper gut fließen kann und nicht verloren geht. Da gibt es ein paar Hauptbandhas, das sind zum Beispiel der Fußverschluss, das Mula Bandha, das ist die Beckenbodenanspannung, das Uddiyana Bandha, das ist die Bauchspannung. Im Endeffekt ist das ja genau so wie wir das aus der Beckenbodenarbeit kennen. Die Füße hängen zusammen mit dem Beckenboden genau wie der Bauch und der Kiefer.

 

Wie ist das wenn Menschen Yoga praktizieren und auch die Aktivierung von Mula Bandha kenne, haben die häufig einen Knoten im Kopf, wenn ich sage, dass ich die Anspannung der Beckenbodenmuskulatur mit der Ausatmung mache, weil die Yogapraktizierenden dies häufig mit der Einatmung machen. Muss mir das Kopfzerbrechen bereiten, macht das überhaupt irgendein Unterschied?

Also in erster Linie bin ich ja die Beckenbodentherapeutin, deswegen wähle ich es mit der Ausatmung. Aber wenn du es gelernt hast und damit gut klarkommst, dann darfst du dir das passende auswählen. Schau einfach, wie es sich für dich gut, richtig und stimmig anfühlt.

 

Und macht es Sinn, wenn ich schon Beckenbodenherausforderungen habe, mir eine Yogalehrerin zu suchen, die Ahnung von Beckenbodenthemen hat oder kann ich auch in eine normale Stunde ins Fitnessstudio gehen?

 

Also am Anfang ist es sicherlich sinnvoll erstmal 1:1 mit jemanden zu arbeiten und herauszufinden, wo die eigenen Herausforderungen sind und dann erst in eine normale Klasse zu gehen, damit ich dort weiß, worauf ich achten muss.

 

Dann gibt es das Yoga für Menschen mit Beckenbodenherausforderungen und Yoga für Schwangere oder nach der Rückbildung. Unterrichtest du das auch? Was muss ich dabei beachten?

Ich habe die Schwangeren-Yoga-Ausbildung begonnen, aber noch nicht beendet. Da gibt es einfach besondere Herausforderungen. Der Körper ist weicher, weil er sich auf die Geburt vorbereitet. Da ist es schon sinnvoll, wenn ich schaue, was diese Yogalehrer für Kompetenzen mitbringen, weil man sich dort leichter verletzen kann. Und in der Rückbildung schau, dass du eine gute Rückbildungsarbeit geleistet hast und prüfe, zu wem du gehst.

 

Das Fazit: Wir sind alle so individuell, dass wir gucken dürfen, was für mich passt. Fachlich sowie menschlich. Auch in der Schwangerschaft darf auch Kraft trainiert werden. Wir brauchen starke Beine bei der Geburt, aber trotzdem sollte auch Rücksicht auf die Weichheit genommen werden.

 

Ich würde gern noch einmal den Aspekt Richtung YinYoga bringen, weil viele Menschen, die Beckenbodenbeschwerden haben, sind sie viel im Kopf und da ist es beim YinYoga super hilfreich, wo wir in die Position gehen und darin auch bleiben und die Atmung spüren auch wieder eine Verbindung zu uns zu schaffen aber auch die Strukturen zu dehnen und ihnen Zeit zu geben.

 

Was denkst du zu Meditation?

Das bringt uns zu uns selbst. Und bringt vielleicht auch mal die Möglichkeit wirklich zu spüren, was in uns los ist. Vielleicht ist es auch manchmal gar nicht so schön das zu fühlen, weil man da auch mal was fühlt, was man sonst vielleicht immer wegdrückt. Auch hier kannst du langsam starten mit einer Minute, es müssen ja nicht gleich 20 sein. Der Kopf muss dabei auch nicht ruhig sein. Nein gerade dann wird dein Kopf sicher ganz viel ausspucken, aber das ist dann auch ok.

 

Inwieweit lässt du Ahimsa, also die Gewaltlosigkeit einfließen?

In der Praxis ganz besonders, indem ich mich nicht in Positionen zwinge, die sich für mich nicht stimmig anfühlen. Schau wie es dir in deinem innersten geht und versuche liebevolle Worte zu finden. Denn wenn ich negativ mit mir spreche, dann wird mein Hirn auch negativ durch die Welt gehen. Es wird sicher auch was im Körper geben, was sich gut oder neutral anfühlt und nicht immer dahin schauen, wo es sich vielleicht nicht ganz so gut anfühlt. Auch mal schauen, was schon funktioniert und nicht nur gucken, was noch nicht klappt.

 

Für die Beckenbodenentspannung ist es nachweislich sehr gut zu summen, lässt du das Om mit einfließen? Es findet bei mir zum Anfang und zum Ende statt, aber jeder darf selber entscheiden, inwieweit er mitmachen möchte. Ich baue auch immer wieder Klänge ein, da sie wundervoll beim Lösen helfen. Bei Mantren fehlt mir aktuell noch das Selbstvertrauen, aber das wird kommen, denn die Stimme zu finden ist superwichtig.

 

Abschließend möchte ich noch sagen: habe keine Angst vor Yoga, aber sei achtsam bei der Auswahl deines Lehrers, du wirst den passenden Deckel finden, aber schaue dabei vor allem auf dich und wie du dich fühlst.

 


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