Heute begrüßt das Bewegungszentrum Norderstedt im Podcast „Beckenboden to go“ Sabrina Nieland.
Sabrina ist Beckenboden Therapeutin und Heilpraktikerin. Sie hat eine Praxis in Hamburg, in der sie schwangeren Frauen mit allen möglichen körperlichen Beschwerden weiterhilft. Spezialisiert ist die Praxis auf die Rückbildung.
Sie persönlich hat sich auf Funktionsbefunde am Beckenboden und am Bauch spezialisiert und genau darum geht es in der heutigen Folge.
Wofür ist der Beckenboden Check-Up eigentlich gut?
Der Check-Up ist sehr gut, wenn du Mama geworden bist oder schon länger Mama bist und dir unsicher bist, ob im Beckenboden alles wieder so funktioniert, wie es vor
der Schwangerschaft der Fall war. Man sagt zum Beispiel auch, dass wenn sich 10 Frauen, die Kinder bekommen haben, in einem Raum befinden, nur 3 Frauen auch nach erfolgten Rückbildungskursen den Beckenboden aktiv wieder spüren können. Im Rahmen der Untersuchung können wir schnell herausfinden, ob die Bewegungen im Beckenboden und im Bauch auch wieder so funktionieren, wie sie sollen. Hierfür nutze ich auch viel den Ultraschall. Gerade nach der Entbindung haben viele Mamas eine Belastungsinkontinenz oder Senkungsbeschwerden und diesen Ursachen kann man bei dem Check auch auf den Grund gehen und herausfinden, woran es liegen kann und was man als Frau dann selber tun kann, um dem entgegenzuwirken. Es ist im Endeffekt Hilfe zur Selbsthilfe. Ich habe auch viele Mütter bei mir, die keine wirklichen Beschwerden haben, aber in ihren Sport zurückkommen wollen. Und genau da können wir dann auch gucken, in welchem Zustand das System ist und ob es Punkte gibt, die dagegen sprechen langsam in das Training wieder einzusteigen. Der Beckenboden Check ist grundsätzlich gut und jede Frau sollte sich damit mal auseinandersetzen. Denn bei vielen Frauen (fast 50%) wird über die Jahre eine Organsenkung festgestellt und das kommt ja nicht von heute auf morgen. Wenn wir da schon früh gegen an arbeiten, dann kommt es im Alter vielleicht gar nicht so doll zum Tragen.
Warum sind die Untersuchungen in den gynäkologischen Praxen eigentlich kein Standard?
Die klassischen gynäkologischen Praxen, die die Nachsorge, also den Termin nach 6 – 8 Wochen nach der Entbindung, machen, haben keine Zeit dafür. Eine befreundete Gynäkologin sagte mir einmal, dass wenn man ökonomisch arbeiten möchte, dann hat man 3 – 5 Minuten pro Frau. In dieser Zeit ist ein vollumfänglicher Beckenboden Check-Up einfach nicht machbar. Man möchte ja auch andere Dinge noch abklären. Wie geht’s dir, wie war die Entbindung, die Brust wird abgetastet und es wird auf die Gebärmutter geschaut, ob die sich richtig zurückgebildet hat. Häufig wird auch einmal gesagt, dass der Beckenboden angespannt werden soll und das war es dann auch schon. Außerdem ist es auch so, dass der oder die Gynäkologe*in nicht fachmännisch für den Beckenboden Check-Up ausgebildet ist. Das gehört nicht zum Standard Studium der Gynäkologie. Es gibt einige wenige, die diese Kompetenz besitzen, aber diese arbeiten dann meist in den Beckenboden Zentren, in denen dann auch, wenn es sein muss, operiert wird. Unserer Check-Up wird auch – anders als beim Gynäkologen – auch im Stehen durchgeführt, denn wenn wir sitzen, dann wirken ganz andere Kräfte und die Organe befinden sich mitunter nicht an der korrekten Stelle. Auch die Beckenboden-Aktivierung kann eine ganz andere sein, wenn ich eine Person im Stehen oder im liegen untersuchen. Unter anderem die Weichheit der Organe kann man am besten im Stehen untersuchen. Eine Befundung in Rückenlage mit Beinen hoch ist einfach schwieriger.
Wie viel Zeit und welche Kosten muss ich beim Beckenboden Check einplanen?
Es ist natürlich immer abhängig davon, wo man hingeht. Ich mache diesen Check-Up nur als Stundentermin. Das heißt, ich mache immer einen Palpationsbefund, ich taste den Bauch und auch das Becken mit meinen Händen ab und dann
schauen wir uns das alles auch noch einmal im Ultraschall an. Und es gibt natürlich vorher ein Anamnese-Gespräch und hinterher ein Beratungsgespräch. Das dauert immer mindestens eine Stunde, wobei ich schon am überlegen bin die Zeit auf 1,5 Stunden hochzusetzen, weil ich merke, dass ich mit der Zeit nicht hinterher komme. Was die Kosten angeht ist es sehr unterschiedlich. Ich persönlich habe eine reine Privatpraxis, also kann ich gar keine Kassenrezepte abrechnen. Und wenn man es ganz genau nimmt, gibt es auch keine Möglichkeit, diese Untersuchung über Rezepte abzurechnen. Bei mir ist das eine Privatzahler-Leistung oder – dadurch, dass ich Heilpraktikerin bin – wenn jemand privat versichert ist, kann man meine Rechnung als Heilpraktikerin dort ebenfalls einreichen und es wird zu teilen übernommen. Bei mir kostet der Check-Up in der Praxis 110 €. Es gibt ein paar gesetzliche Kassen, die Heilpraktiker Leistungen unterstützen, daher empfehle ich meinen Patientinnen immer die Rechnung zumindest einzureichen. Es ist zwar etwas Geld, aber das sollte
man in sich investieren, denn in der Regel macht man diesen Check-Up ja auch nur einmal und dann weiß man, wie man derjenigen weiterhelfen kann.
Kannst du noch einmal detailliert beschreiben, wie ich mir die Stunde bei dir vorstellen kann?
Zuerst unterhalten wir uns ganz in Ruhe bei einem Tee und du erzählst mir, warum du eigentlich da bist, was möchtest du wissen, hast du Beschwerden? Ich nenne das eine Statusabfrage, wie ist der Zustand des Systems? Dann stelle ich auch noch einige Fragen zu Medikamenten, denn es macht natürlich einen Unterschied, ob du Medikamente nimmst, die die Blutgerinnung beeinflussen. Dann erkläre ich genau, was wir gleich in der Untersuchung machen werden und man muss mir auch eine Einverständniserklärung unterschreiben. Für die Untersuchung ist es notwendig, dass sich meine Patientin entkleidet – ohne Unterhose auf gut deutsch gesagt. Dann schaue ich mir immer erstmal den Bauch an, um anzukommen. Das tue ich bei jeder Mama, unabhängig davon, ob sie dort Probleme vermuten oder nicht. Ich taste den Bauch ein bisschen ab, ich halte meinen Ultraschallschallkopf auf die Bauchdecke, wir schauen und das Bindegewebe an, wir gucken uns an wie die Muskeln arbeiten, wir schauen ob das Becken mit den Bauchmuskeln spricht. Wenn es einen Kaiserschnitt gab, schaue ich mir die Narbe mit an, wenn ich darf und gucken, ob das alles normal beweglich ist, ob es da Auffälligkeiten gibt. Dann taste ich in Rückenlage den Beckenboden ab, in der Regel auch vaginal mit einem Finger. Das reicht eigentlich für eine umfängliche Funktionsprüfung aus. Ganz manchmal teste
wir auch rektal durch die Enddarmöffnung. Das kann mal sinnvoll sein, wenn man eine größere Dammverletzung hatte und wenn es Probleme mit der Stuhlkontinenz gibt. Aber erstmal schaue ich durch die Vagina und das reicht meist aus. Wenn eine rektale Untersuchung notwendig ist, wird das auch besprochen. Dann schaue ich mir den Beckenboden an, ich taste den Beckenboden ab, ich taste nach Vernarbung und Verletzungen, wenn welche da sind. Dann schauen wir was passiert, wenn ich ihnen sage, dass sie ihren Beckenboden anspannen soll, sprich ich gucke, was ist für die Frau der Beckenboden und dann gucke ich wie reagiert der Muskel. Dann schaue ich, ob der Muskel in die Bewegung kommt, in der wir ihn haben möchten und ob diese Kraft und Schnelligkeit ausreichend ist. Wir schauen auf Ausdauer und auf
Reflexivität.
Ich habe eine Zwischenfrage: Was ist denn, wenn ich zum Beispiel mit einer Belastungsinkontinenz komme und du bittest mich zu husten und ich verliere da Urin auf deiner Liege?
Das ist eine große Sorge von vielen Frauen, das passiert auch nicht selten, aber für mich persönlich ist das kein Problem. Ich hab auch immer wieder die Anfrage, weil Mamis ja oft noch unreguläre Zyklen haben und dann ausgerechnet am Tag des Termins Blutungen haben, das ist alles kein Problem. Das sind alles Sachen, die kann man besprechen und wir legen einfach Papier unter. Das passiert ganz häufig und stellt kein Problem dar. Es gehen auch häufig Pupse ab beim Pressen, das ist nichts wofür man sich schämen muss. Den Frauen ist das häufig unangenehm, aber für uns Menschen, die damit arbeiten ist das etwas ganz Normales. Das einzige, was ich rein rechtlich nicht darf und auch nicht machen würde, ist im Wochenfluss zu untersuchen.
Wenn wir uns in Rückenlage alles angeschaut haben, kommt die Untersuchung im Stehen. Dann schauen wir eben nochmal wie sieht das unter Schwerkraft aus? Was macht der Beckenboden unter Schwerkraft? Das heißt ich taste wieder wenn du vor mir stehst mit einem Finger vaginal, was passiert bei Schwerkraft und wir vergleichen das miteinander. Und gucken da auch nochmal beim Pressen und Husten darauf, was machen da die Organe in deinem Bauch? Das war der Tastbefund. Dann schauen wir im Ultraschall – der aber nicht eingeführt wird – sondern von außen stattfindet. Der Ultraschall wird am Damm positioniert und dann schauen wir quasi von unten in den Unterbauch. Ich erkläre dann am Bildschirm alles. Wir können anhand des Bildes sehen, was der Beckenboden macht und du kannst es währenddessen sehen. Dann kannst du zum Beispiel auch sehen, was beim Pressen passiert. Pressen ist vergleichbar damit etwas schweres zu heben und da kann man dann sehr gut sehen, was passiert in diesem Moment eigentlich
mit den Organen? Oder du kannst auch beim Husten sehen, warum geht da eigentlich Urin raus. Das ist für viele auch ein Eye Opener. Weil man da einfach liegt und sieht, woran es liegt. Der Beckenboden ist auf dem Ultraschall meist sehr gut erkennbar und man kann da alles sehr gut zeigen, sehen und erklären. Anders als man sich diese Schwarz/weiß
Ultraschallbilder vorstellt. Man kann mit diesem Gerät beispielsweise auch prüfen, was passiert, wenn man sagt immer im Ausfallschritt geht mir ein Tröpfchen ab. Dann kann man genau schauen, was da in diesem Moment passiert. Da sieht man zum Beispiel, dass die Frau bei einem Ausfallschritt presst und genau da kann man dann ansetzen und schauen, wie stelle ich deine Aktivierung entsprechend um, so dass du in diesem Moment nicht mehr presst und somit nicht mehr das Problem hast, dass du Tröpfchen verlierst. So können wir viele Alltagssituationen nachstellen und genau schauen, was passiert, wenn das Problem auftritt.
So, wir haben nun einmal den Ist-Zustand meines Systems geprüft. Was kann ich mit dem Ergebnis dann anfangen?
Dann sprechen wir, genau so wie am Anfang und ich erkläre dir meinen Befund nochmal. Das mache ich zwar auch schon während der Untersuchung, aber das ist sehr viel und somit macht es Sinn das am Ende nochmal zusammenzufassen. Und dann schildere ich dir aus meiner Sicht, wo das Problem liegt und was du dagegen tun kannst.
Also gibt es etwas, was die Frau dagegen tun kann? Manchmal muss aber auch wirklich etwas operiert werden muss, dann schicke ich die Frauen nochmal ins Beckenboden Zentrum. In der Regel kann man aber immer was machen, vor allem, wenn noch nicht wirklich viel probiert wurde. Häufig kann man viel für sich machen, in dem man zum Beispiel gegen seine Schmerzen arbeitet oder die Ansteuerung seines Systems übt. Oft sind es Kleinigkeiten, die dann letztendlich zum Ziel führen. Wir machen im Endeffekt eine Momentaufnahme und empfehlen dann aus unserer
Erfahrung, dass was wir für die Frau als sinnvoll erachten. Ich mache dann auch gern noch einen Termin zur Nachbesprechung, um nach einiger Zeit zu gucken, wie geht’s der Frau und in der Regel hat es sich dann auch immer verbessert, wenn sie am Training drangeblieben sind.
Machst du noch deine mobilen Check-Up Tage?
Nur noch ganz reduziert und aktuell auch nur in meinem Umfeld, also in Hamburg, wo ich morgens hinfahren und abends wieder zurück kann. Aber ihr könnt euch gern melden, denn wir haben mittlerweile ein sehr großes Netzwerk und vielleicht gibt es ja Kollegen*innen in eurer Nähe, die das anbieten. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass auch wenn deine Beckenbodenfunktion zum Zeitpunkt der Prüfung gut war, es keine Garantie dafür ist, dass du dann im Sport oder im Alter keine Probleme haben wirst, da kommen zu viele Faktoren zusammen, als dass man das mit Sicherheit sagen könnte. Diese Garantie kann einem im medizinischen Bereich niemand geben.
Hast du zum Abschluss noch etwas Wichtiges, was dir durch den Kopf geht?
Gerne das, was ich immer wieder wiederhole. Ich arbeite in einem sehr tabuisierten Bereich. Das heißt ich habe mit Frauen zu tun, die einen wirklich hohen Leidensdruck haben und sich nicht verstanden fühlen. Da möchte ich immer wieder an euch appellieren, sucht euch Hilfe. Wir müssen heute nicht mehr mit diesen Problemen leben. Selbst die Befunde, bei denen konservativ nicht geholfen werden kann, können operativ behoben werden. Lasst euch nicht mit einem „da kann man nichts machen“ oder „das ist jetzt so“ abspeisen.
Wie erreiche ich dich, Sabrina?
Über www.mamath.de oder über www.beckenbodencheckup.de oder bei Instagram.
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