Beckenboden To Go – Folge 8: Lust(-losigkeit) nach der Schwangerschaft und Geburt

Heute begrüßt das Bewegungszentrum Norderstedt im Podcast „Beckenboden to go“ Tina Molin. Tina Molin ist Journalistin, Unternehmerin, Autorin des Buches „Endlich wieder Lust auf Sex! Wie ich mit Mitte Vierzig mein Liebesleben neu entdeckte.“ und Mutter.

 

Es geht in dieser Folge um das Thema Lust (-losigkeit) nach der Schwangerschaft und Geburt.

 

Hast du dich schon vor der Schwangerschaft bzw. der Geburt mit deinem Beckenboden auseinandergesetzt?

Mit meinem Beckenboden habe ich mich vorher überhaupt nicht auseinandergesetzt, ich wusste nicht mal, dass es einen gibt. Ich hatte überhaupt keinen Bezugspunkt dazu.

 

 

Würdest du empfehlen, dass sich Menschen bereits vor Schwangerschaft und der Geburt damit auseinandersetzen sollten?

In meinen Augen ist es eine absolute Empfehlung bei Schwangeren, dass sie sich bereits vorher mit dem Thema auseinandersetzen sollten. Kümmere dich bereits im Vorfeld um deinen Beckenboden, damit du weißt, wie du ihn trainierst und wie du ihn entspannst, denn spätestens bei der Geburt wirst du ihn brauchen. Zudem hilft es auch, nach der Geburt wieder auf die Beine zu kommen.

 

Was hast du alles ausprobiert, um deine Lust wiederzufinden?

Ich habe alles möglich ausprobiert, würde das aber nicht zwangsläufig so empfehlen. Deswegen habe ich mein Buch auch aus der Ich-Perspektive geschrieben, da dies nur eine Inspiration sein soll, in sich hineinzufühlen.  Frauen stehen sowieso schon so unter Druck. Ich selber war unter anderem bei der Tantra Massage, beim Cervix Dearmouring (dabei wird der Gebärmuttermund “entpanzert”), sowie auf Kuschelpartys und im Swinger Club. Es geht aber nicht um die einzelne Aktivitäten, sondern um die gesamte Reise vom Großen Fragezeichen und hin zur Lust. Lust hat immer auch mit Leben zu tun, mit Selbstliebe und vor allem auch mit Grenzen setzen. Ich selber bin auf der Reise gereift und habe mich – meiner Meinung nach – auch dadurch erst zur Unternehmerin entwickelt. Wenn man sich im Bett emanzipiert, tut man das auch erst im alltäglichen Leben. 

 

Würdest du sagen, dass Menschen sich mit dem Thema Sexualität nach Schwangerschaft und der Geburt schon vor der Planung eines Kindes damit beschäftigen sollten?

Mit Geburt eines Kindes geht ein riesiger Transformationsprozess los, ähnlich wie in der Pubertät, in der man sich innerhalb von 2 bis 3 Jahren vom Mädchen zur Frau verwandelt. Fragen wie, wer bin ich, wer möchte ich sein, was habe ich für Werte,

genau diesen Prozess macht man eben nicht nur in der Pubertät durch sondern auch als Mutter bzw. Vater, nur unter krasseren Bedingungen. Du wirst in den Kreissaal reingeschoben, kommst da wieder raus und bist plötzlich im

neuen Leben. Und dazu hast du dann 24/7 ein Kind zu betreuen, da ist nicht viel Platz für dich selbst, um überhaupt in die Reflektion gehen zu können. Man versucht nur klarzukommen und genau das kann und sollte besser vorbereitet sein.

Auch wenn die größten Veränderungen bei den Frauen entstehen, sollte man auch die Männer mitnehmen. Denn auch wenn bei ihnen zum großen Teil der Ablauf ähnlich bleibt, so lasten andere Verpflichtungen auf ihm. Probiere deinen Mann so gut es geht mitzunehmen und aufzuklären, dass du dich eben in die Rolle der Mutter, der Frau und die der Partnerin erst wieder einfinden musst. Dass sich durch Schwangerschaft und Rückbildung erogene Zonen verändert haben können. Dass man eben weniger oder mehr Lust hat als zuvor, auf einer oder beiden Seiten der Partnerschaft.

 

Darauf ist niemand vorbereitet, weil darüber keiner spricht:

Das Baby war da und wir waren total glücklich ist nicht Realität. Die Realität ist viel mehr, dass er oder sie oder auch beide halt keine Lust mehr haben. Reden hilft und bei allem gibt es Orte, an denen man sich die entsprechende Hilfe holen kann.

Wenn du dich nicht selber informierst, dann bist du in einem Loch und weißt nicht, wo du anfangen sollst dir Hilfe zu holen. Unterstützung zu holen ist gerade heutzutage gut möglich. Und es muss auch mal gesagt werden: 

Als Mutter ist man oft auch einfach überkuschelt und wenn ich dann abends mal 2-3 Stunden meinen Körper für mich habe, dann möchte ich auch mal niemanden um mich rum haben, niemanden der irgendetwas was von mir will. 

 

Das muss ich kommunizieren und hier hilft es auch, das Baby mal ein Wochenende beim Mann/der Frau (die Milch kann man ja bspw. abpumpen etc.) zu lassen, einfach damit er/sie versteht, wie anstrengend es ist, 24 Stunden fremdbestimmt zu sein. Das kann sich niemand vorstellen, bis man dann eben Mutter ist.

 

Es nimmt viel Ärger, wenn der Beziehungsmensch weiß, wie es ist, komplett Fremdbestimmt zu sein, meinen eigenen Bedürfnissen überhaupt nicht nachkommen zu können. Dann hat niemand Lust auf Sex. Und wenn genau das erreicht ist, er/sie also weiß, wie es sich anfühlt, wenn man einfach keinen Körperkontakt möchte, dann geht man vom gleichen Standpunkt aus los und kann gemeinsam schauen. 

 

Gemeinsam definieren was ist Sex, wann fängt Sex an, was Sexualität ist. Die bloße Penetration oder auch schon Küssen und heavy Petting?

 

Ein Weg kann auch sein, dass beide masturbieren und man schaut sich zu. Vielleicht hat auch das erotische Auswirkungen. Es gibt so viele Spielmöglichkeiten, aber bevor man die ausprobieren kann, muss man sich von Standards lösen.

 

Das Kind schläft: Wie kann ich jetzt direkt zu sexy hexy wechseln? Wie kommst du in deinen Körper? Wie kommst du in deine Sexyness?

Das Gefühl hat man nicht nur als Mutter, sondern oft auch in langjährigen Beziehung:

Man hat den ganzen Tag gerödelt, geschaffen und jetzt abends soll man plötzlich in der Lust sein.

 

Was helfen kann:

Finde etwas, was dich in den Körper bringt, bei mir ist es beispielsweise das Tanzen. Oder aber du nutzt Massage, um im Körper ankommen. Sport, Spazierengehen, was immer du brauchst, das ist ganz individuell. Und ganz wichtig ist, dass man Kommunizieren muss. Frauen brauchen 20 - 40 Minuten bis sie heiß sind, man muss diese Zeit einfordern.

 

Ich ziehe gern den folgenden Vergleich:

Männer sind wie Feuer: Feuerzeug an, ist sofort heiß.

Frauen sind wie Wasser, der Topf mit Wasser braucht lange bis es kocht, bleibt aber dafür länger heiß.

Dass sich die Frau dem Mann anpasst führt oft dazu, dass Frau (noch) gar keinen Bock hat, wenn es losgeht. Besser wäre es also, dem Partner zu kommunizieren, dass es besser ist, wenn sich das Feuer dem Wasser anpasst. Wenn der Mann

wartet, bis die Frau richtig heiß ist, erst dann erleben Frauen den Sex, von dem sie mehr haben wollen.

 

Ca. 3 Jahre nach der Geburt kann man sich dann folgenden Fragen widmen:

Wie kriege ich ein Leben hin, von dem ich keinen Urlaub brauche?

Wenn dein Leben dir generell Spaß macht, du dir das Lebe so gestalten kannst, dass du dir immer Lustvolle Pause (z.B. Kaffeetrinken o.Ä.) einbauen kannst, dann fällt es dir auch leichter sexuelle Lust zu empfinden. Wenn du ein Leben führst, was dir allgemein keinen Spaß macht und dich ermüdet, dann hast du natürlich auch keine Lust auf Sex. Sicher braucht es ein paar Jahre, sich das Leben so aufzubauen, aber das Leben sollte so gestaltet sein, dass man abends auf dem Sofa sitzt und sagt „Was machen wir jetzt“. Anstatt, dass man nur kaputt ist. Mit Lebenslust kommt auch die Lust auf Sex. Lustig und Lust hängt zusammen, wenn du ein lustiges, lustvolles Leben hast, dann hast du auch Lust auf Sex. Wenn du keine Lust auf deine Beziehung hast und diese nicht leicht, lustig und lustvoll ist, dann ist Sex auch eher zweitrangig. All das wird oft vom äußeren Umfeld bestimmt.

 

Deswegen helfen vor allem die folgenden Fragen:

Habe ich das Leben worauf ich Bock habe?

Habe ich die Beziehung auf die ich Bock habe?

Habe ich den Sex auf den ich Bock habe?

 

Die wichtigen Fragen sind:

Wie stehe ich zu meinem Körper?

Kann ich sagen was ich will, was ich nicht will?

Fühle ich mich sicher in meiner Partnerschaft und gesehen, haben wir eine gute Kommunikation, kann ich ja oder nein sagen, weiß ich überhaupt, was ich will?

 

Das ist quasi das 1x1.

Alles weitere wie Stellungen, BDSM etc. ist die höhere Mathematik und kommt dann im zweiten Schritt.

Viele Frauen wissen gar nicht, was ihnen gefällt, wo ist mein Uh und der Ah Punkt. Und das gilt es herauszufinden.

 

Berühre dich selbst, um heraus zu finden, was dir gefällt, um es dann in deiner Beziehung kommunizieren zu können.

Übernehme Verantwortung: Ich bin für meine Lust und meine Befriedigung zuständig. Wenn ich mich in meinem Körper nicht zu Hause fühle, dann kann ich auch nicht rausgehen und juicy sexy liebe machen. 

 

Was sind deine Tipps, um nach der Geburt in den Körper zukommen?

Es ist egal wo, du anfängst, es ist wichtig, dass du anfängst. Und wenn du hier schon zuhörst, dann ist der Einstieg leicht.

Wenn du anfängst, dann geht die Tür auf und es öffnen sich weitere Türen. Auf dem Sofa einen Podcast nach dem nächsten hören ist auch gut und schön, aber losgehen und die Tür aufmachen ist hier essentiell. 

 

Also tue es!


Neugierig geworden?